Aktuelles

Lesung von / mit Helmut Ortner, Journalist, aus seinem Buch „Volk im Wahn: Hitlers Deutsche oder Die Gegenwart der Vergangenheit. 13 Erkundungen“

Freitag, 12. Mai 2023, 19.30 Uhr, Museum Synagoge Affaltrach, Untere Gasse 6, 74182 Obersulm-Affaltrach – Eintritt frei
(auch: Samstag, 13. Mai 2023, 19.00 Uhr Mehrgenerationenhaus, Hunnenstr. 10, 74163 Öhringen)

Ein Buch gegen das Vergessen. Ortners Recherchen sind erhellend – und empörend. Eine echte Entnazifizierung hat es nie gegeben. Deutschland in den Nachkriegsjahren – ein „entnazifiziertes“ Volk müht sich, das zu vergessen, was es verschwieg: seine Bereitschaft zur Teilnahme an einem System der Barbarei. Geschichtsverleugnung und Geschichtsumdeutung hatten Hochkonjunktur. So verloren sich der Schrecken und die Einzigartigkeit: Der nationalsozialistische Wahn wurde zur austauschbaren Metapher des Bösen, persönliche Schuld relativiert. Die „Befreiung der Deutschen von ihrer Vergangenheit“ gehört zum Gründungsmythos der Bundesrepublik. Das Geflecht der kollektiven Lebenslüge in der Adenauer-Republik: Verdrängen, Vergessen, Verleugnen.

Eine Veranstaltung des Freundeskreises ehemalige Synagoge Affaltrach e.V.

Worum geht es in dem Vortrag?
Bekanntlich kamen in den 50er Jahren viele alte Nazis, Mitglieder der NSDAP und des nationalsozialistischen Terrorapparats, wieder in Amt und Würden – in der Justiz, im Hochschulsektor, in der Medizin, in der Verwaltung. Konrad Adenauer kommentierte dies mit dem zynischen Satz: „Wer kein sauberes Wasser hat, kann das schmutzige nicht wegschütten“. Franz Josef Strauss hatte schon Mitte der 50er Jahre gefordert, endlich mit der Nazi-Schnüffelei aufzuhören. Die größte verbrecherische Gruppierung in der Geschichte der Menschheit, die SS, wurde niemals nach § 129a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) eingestuft, was die strafrechtliche Verfolgung ihrer Mitglieder vereinfacht hätte. Verfahren wurden von der Justiz verschleppt oder eingestellt. An vielen Gerichten bis hin hoch zum BGH waren bis 75% der Richter schon im Justizapparat der Nazis tätig gewesen. Bis heute wurde kein einziger Richter des berüchtigten Volksgerichtshofs verurteilt. Juristen, die die Juden enteignet hatten („Arisierung“), urteilten über deren Restitutionsanträge. Der BGH hinderte Fritz Bauer daran, Auschwitz als Gesamtkomplex vor Gericht zu bringen. Jedem einzelnen Angeklagten musste damals seine individuelle Schuld nachgewiesen werden. Erst Jahrzehnte später, als alle Täter gestorben waren, änderte sich das mit dem Urteil gegen John Demjanjuk im Jahr 2011. Er wurde verurteilt, obwohl ihm keine konkrete individuelle Tat im KZ nachgewiesen werden konnte. Heribert Prantl sprach in der SZ in seiner Kolumne von Rechtsbeugung. Anstatt die jahrzehntelange Verschleppung von Nazi-Taten durch die bundesdeutsche Justiz aufzuarbeiten, stellt man heute 90- und 100jährige Alte vor Gericht, nach jahrzehntelangem Nichtstun! Hätte es nicht so spektakuläre Aktionen gegeben wie die Ohrfeige von Beate Klarsfeld für Bundeskanzler Kiesinger im Jahr 1968, die Studentenbewegung oder die große Ausstellung von Jan Philipp Reemtsma und Hannes Heer „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ in den 90er Jahren – wer weiß, wie weit wir mit der Aufklärung der Verbrechen und der Aufarbeitung gekommen wären.


Zurück zur Übersicht

Newsletter

Wir informieren Sie in regelmäßigen Abständen über Neuigkeiten aus unserer Gemeinde. Abonnieren Sie unseren Newsletter.